Das Landgericht Kiel hat im Abgasskandal mit Urteil vom 1. Oktober 2019 entschieden, dass Volkswagen einen VW Tiguan 2,0 TDI zurücknehmen und den vollen Kaufpreis erstatten muss. Eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer dürfe VW nicht abziehen (Az.: 11 O 243/18).
Der Kläger hatte den VW Tiguan 2,0 TDI im Jahr 2013 gekauft. In dem Fahrzeug ist der Motor des Typs EA 189 verbaut. Wie später bekannt wurde, hat VW bei diesem Motor die Abgaswerte manipuliert. Der Kläger verlangte daher die Rückabwicklung des Kaufvertrags.
Die Klage hatte vor dem LG Kiel Erfolg. VW habe Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht und die Käufer dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, da zumindest die Gefahr bestand, dass dem Fahrzeug die Betriebserlaubnis entzogen wird. VW sei daher zum Schadensersatz verpflichtet, so das LG Kiel.
„Inzwischen entscheiden die Gerichte quer durch die Republik verbraucherfreundlich. Bemerkenswert an dem Urteil des LG Kiel ist aber, dass VW den Kaufpreis erstatten muss aber keine Nutzungsentschädigung abziehen darf“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.
Durch die Abgasmanipulationen habe VW den Kläger aus Profitstreben getäuscht und sei daher zum Schadensersatz verpflichtet. Im Schadensersatzrecht gilt der Grundsatz der Vorteilsausgleichung. Demnach können dem Geschädigten im gewissen Maße die Vorteile angerechnet werden, die ihm im Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Allerdings muss die Anrechnung für den Geschädigten zumutbar sei und der Schädiger darf dadurch nicht unbillig entlastet werden.
Genau dies sei aber der Fall, wenn VW Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung habe. Der Kläger konnte das Auto zwar fahren und damit nutzen. Allerdings hätte die Nutzung auch jederzeit wieder untersagt und dem Fahrzeug die Betriebserlaubnis entzogen werden können. Durch eine Nutzungsentschädigung könnte VW trotz des sittenwidrigen Verhaltens einen geldwerten Vorteil erzielen und würde unbillig entlastet. Dies sei nach Ansicht des LG Kiel nicht zu akzeptieren.
„Die Rechtsprechung des Landgerichts Kiel ist konsequent. Denn es stellt sich schon die Frage, ob ein Autohersteller für sein sittenwidriges Verhalten überhaupt sanktioniert wird, wenn er ein Fahrzeug mit manipulierten Abgaswerten zwar zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten muss aber auch eine Nutzungsentschädigung abziehen darf. Dies führt praktisch dazu, dass die manipulierten Fahrzeuge vermietet wurden, was nie in der Absicht der Käufer lag“, so Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.
Das LG Kiel steht mit seiner Auffassung, dass VW im Abgasskandal keinen Anspruch auf einen Nutzungsersatz hat, nicht alleine da. Auch die Landgerichte Augsburg, Halle, Gera, Potsdam oder Essen billigen VW keinen Nutzungsersatz zu.
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