Ein Audi von vorne

Audi hat im Abgasskandal eine weitere Niederlage hinnehmen müssen. Mit Urteil vom 22. Dezember 2020 entschied das Landgericht Kiel, dass der Autohersteller den Audi A6 des Klägers zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung ersetzen muss (Az.: 4 O 71/20).

„Das Gericht ist unserer Argumentation gefolgt, dass Audi in dem A6 meines Mandanten eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet und ihn dadurch sittenwidrig geschädigt hat“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel, der das Urteil erstritten hat.

Sein Mandant hatte den Audi A6 Avant 3,0 TDI mit dem Dieselmotor des Typs EA 897 evo und der Abgasnorm Euro 6 im März 2017 bei einem Händler als Gebrauchtwagen für ca. 39.300 Euro gekauft. Im Dezember 2018 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt unter dem Code 23X6 einen verpflichtenden Rückruf für das Modell an, damit eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. unzulässige Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems entfernt wird.

Der Kläger ließ das folgenden Software-Update zwar aufspielen, machte aber auch Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. Anhand von Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung und Zeiterfassung erkenne die Motorsteuerungs-Software, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. Im Prüfmodus werde dann eine ausreichende Menge des Harnstoffs AdBlue eingespritzt, damit die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß eingehalten werden. Im normalen Straßenverkehr werde die AdBlue-Zufuhr reduziert. Folge ist ein Anstieg des Emissionsausstoßes. Zudem arbeite die Abgasrückführung nur im Rahmen eines festgelegten Thermofensters vollständig. Bei höheren oder niedrigeren Temperaturen werde die Abgasrückführung reduziert bzw. ganz abgeschaltet.

Das Landgericht Kiel folgte der Argumentation des Klägers. Audi habe das Fahrzeug mit der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht. Dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, zeige schon der Rückruf des KBA unter dem Code 23X6. Audi habe den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung auch nicht widerlegen können, so das LG Kiel.

Audi habe die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung verschwiegen und nur durch diese Täuschung überhaupt die Typengenehmigung für das Modell erhalten. Ein Käufer dürfe aber davon ausgehen, dass ein Fahrzeug die gesetzlichen Vorgaben einhält und nicht der Verlust der Zulassung droht. Die Täuschung sei für den Abschuss des Kaufvertrags kausal gewesen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger den Pkw bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erworben hätte. Der Kläger sei sittenwidrig geschädigt worden und Audi habe diese Schädigung billigend in Kauf genommen, führte das LG Kiel weiter aus.

Der Kaufvertrag sei daher rückabzuwickeln. Audi muss den A6 des Klägers zurücknehmen und den Kaufpreis ersetzen. Für die rund 22.400 Kilometer, die der Kläger mit dem Auto gefahren ist, darf Audi allerdings eine Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 3.200 Euro anrechnen. Unterm Strich erhält der Kläger somit noch rund 36.100 Euro Schadenersatz.

„Die Frage, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, konnte das Gericht in diesem Fall offenlassen, da Audi auch andere unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. In diesem Punkt hat der EuGH allerdings inzwischen für Klarheit gesorgt. Er stellte mit Urteil vom 17.12.2020 fest, dass Abschalteinrichtungen inklusive Thermofenster grundsätzlich unzulässig sind (Az.: C-693/18). „Die Autohersteller können sich nicht darauf berufen, dass Thermofenster aus Motorschutzgründen ausnahmsweise zulässig sind, um den Motor vor Verschleiß oder Verschmutzung zu schützen. Damit hat der EuGH die Rechte der Verbraucher im Abgasskandal erheblich gestärkt“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.

 

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