Thermofenster sind unzulässige Abschalteinrichtungen. Das hat der EuGH mit Urteil vom 14. Juli 2022
entschieden und damit ein ganz neues Kapitel im Abgasskandal aufgeschlagen (Az.: C-128/20, C-
134/20, C-145/20). „Millionen Dieselfahrzeuge von VW aber auch anderer Autohersteller wie
Mercedes sind nach dem EuGH-Urteil mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterwegs.
Betroffene können Schadenersatzansprüche geltend machen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus
Kiel.
Vor dem EuGH ging es um Thermofenster bei VW. Diese sorgen dafür, dass die Abgasreinigung bei
Außentemperaturen unter 15 und über 33 Grad reduziert werde. Gleiches gilt, wenn das Fahrzeug in
Höhenlagen über 1000 Meter unterwegs ist. Folge ist, dass der Stickoxid-Ausstoß steigt und der
zulässige Grenzwert überschritten wird.
In einem Fall wurde bei einem VW mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 das Thermofenster mit dem
Software-Update aufgespielt. Solche Software-Updates wurden auf Millionen Dieselfahrzeuge der
Marken VW, Audi, Seat und Skoda installiert, nachdem bekannt wurde, dass VW die Abgaswerte
manipuliert hatte. „Mit dem Software-Update wurde zwar die illegale Abschalteinrichtung entfernt.
Nach dem Urteil des EuGH allerdings eine andere unzulässige Abschalteinrichtung installiert –
diesmal in Gestalt eines Thermofensters bei der Abgasreinigung“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.
Der EuGH-Generalanwalt hatte in seinem Schlussantrag vom 23. September 2021 deutlich gemacht,
dass er Thermofenster für rechtswidrig hält. Durch das Thermofenster werde die Wirksamkeit des
Emissionskontrollsystems unter normalen Nutzungsbedingungen reduziert. Daher handele es sich um
eine Abschalteinrichtung. Abschalteinrichtungen könnten nur ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie
aus Gründen des Motorschutzes erforderlich seien. Dies sei beim Thermofenster jedoch nicht der
Fall, da es vornehmlich Teile des Abgasrückführungsrührungssystems (AGR-System) vor Verschleiß
schützen solle.
Dieser Einschätzung ist der EuGH nun gefolgt. Ein Thermofenster können nur dann ausnahmsweise
zulässig sein, wenn es den Motor vor schweren Risiken, die eine Gefahr während der Fahrt darstellen
schützen solle. „Auch dann bleibe das Thermofenster aber unzulässig, wenn es den Großteil des
Jahres unter normalen Betriebsbedingungen zum Einsatz kommt, erklärte der EuGH weiter. Davon ist
auszugehen, wenn die Abgasreinigung schon bei Außentemperaturen unter 15 Grad reduziert wird“,
so Rechtsanwalt Dr. Gasser.
Das Urteil des EuGH dürfte weitreichende Folgen haben. Denn mit dem Software-Update wurde in
Deutschland bei rund 2,4 Millionen Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns mit dem Motor EA 189 ein
Thermofenster und damit einer unzulässige Abschalteinrichtung installiert. Zudem wird auch beim
Nachfolgemotor EA 288 ein Thermofenster verwendet.
Nicht nur VW, sondern auch andere Autohersteller wie Mercedes verwenden Thermofenster.
„Betroffene Dieselfahrer können nun Schadenersatzansprüche geltend machen“, so Rechtsanwalt Dr.
Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.
Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/abgasskandal/
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